Gesellschaftsrecht

Der „Kampf“ um die Gesellschafterliste

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Boris Jan Schiemzik, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Die Gesellschafterliste wurde im Jahr 2008 durch den Gesetzgeber aufgewertet. Seit der Gesellschaftsrechs-Gesetzesnovelle MoMiG gibt es im Fall eines zugespitzten Gesellschafterstreits, in dessen Rahmen Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, regelmäßig einen „Kampf um die Gesellschafterliste“.

BGH zur Wirkung der Gesellschafterliste im Gesellschafterstreit

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 26.01.2021 (II ZR 391/18) klargestellt, dass ein Gesellschafter seine Gesellschafterrechte und damit auch seine Anfechtungsbefugnis für Klagen gegen Gesellschafterbeschlüsse verliert, wenn er nicht in der Gesellschafterliste als Gesellschafter dokumentiert ist. Der BGH betont mit seiner Entscheidung aber auch eine wichtige Ausnahme.

Bedeutung der Gesellschafterliste

Die Gesellschafterliste wird beim Handelsregister geführt und gibt Auskunft über den Gesellschafterkreis einer GmbH und seine konkrete Zusammensetzung. Die Gesellschafterliste muss laufend aktualisiert werden, wenn es Änderungen bei der Zusammensetzung des GmbH-Gesellschafterkreises gibt. Mit der Gesellschafterliste wird Transparenz und Rechtssicherheit geschaffen. Nur ein Gesellschafter, der in der Gesellschafterliste eingetragen ist, verfügt über alle Gesellschafterrechte gegenüber der GmbH. Ohne eine Eintragung in der Gesellschafterliste kann auch ein Gesellschafter, der materiell-rechtlich eindeutig ein Gesellschafter ist, weder seine Gewinn- noch Stimmrechte geltend machen. Der GmbH-Gesellschafterliste kommt mithin eine wichtige Legitimationswirkung zu.

Ist die Gesellschafterliste fehlerhaft, kann sie zu katastrophalen Folgen führen. Da Änderungen der Gesellschafterliste nicht nur durch einen fachlich qualifizierten Notar, sondern in bestimmten Fällen auch durch den GmbH-Geschäftsführer erfolgen können, ist die Gesellschafterliste fehleranfällig. Zum Beispiel kann einem Gesellschafter das Gewinnbezugsrecht vorenthalten werden, wenn seine Gesellschafterstellung nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist.

Gesellschafterliste lässt sich nicht mit dem Grundbuch vergleichen

Zum Verständnis sei klargestellt, dass die Gesellschafterliste nicht über die Inhaberschaft, also GmbH-Gesellschafterstellung aus materiell-rechtlicher Sicht, entscheidet. Die Gesellschafterliste hat keine Funktion wie zum Beispiel ein Grundbuch, dessen Eintragung die Eigentumsstellung des Immobilieneigentümers dokumentiert. Das deutsche Zivilrecht kennt also GmbH-Gesellschafter, die nicht in der Gesellschafterliste eingetragen sind. Die Gesellschafterliste sagt nur etwas über die Legitimation aus. Nur der Listengesellschafter hat das Recht, seine Gesellschafterrechte gegenüber der GmbH geltend zu machen. Wer nicht in die Liste eigetragen ist - unabhängig von der Frage, ob er Gesellschafter ist - kann keine Rechte gegenüber der GmbH beanspruchen.

BGH verneint Anfechtungsbefugnis

Der BGH weist in seiner aktuellen Entscheidung vom 26.01.2021 darauf hin, dass der Gesellschafterliste nicht nur eine positive Legitimationswirkung (Listengesellschafter kann seine Gesellschafterrechte ausüben), sondern auch eine negative Legitimationswirkung zukommt. Ein nicht in der Gesellschafterliste eingetragener Gesellschafter verfügt gegenüber der GmbH über keine Gesellschafterrechte. Das heißt, dass ein GmbH-Gesellschafter, der zum Zeitpunkt eines Gesellschafterbeschlusses nicht in der Gesellschafterliste eingetragen war, grundsätzlich keine Anfechtungsklage gegen den Gesellschafterbeschluss erheben kann, da ihm schlicht die Anfechtungsbefugnis fehlt. Die Anfechtungsbefugnis eines Gesellschafters erlischt mit seiner Austragung aus der Gesellschafterliste. Dies im Grundsatz auch, wenn die Austragung nicht zulässig war.

BGH betont die Ausnahme bei Einziehungsbeschlüssen

Der Grundsatz der negativen Legitimationswirkung der Gesellschafterliste, nach dem keine Person über eine Anfechtungsbefugnis verfügt, die nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist, gilt nicht uneingeschränkt - so der BGH. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung darf die Anfechtungsbefugnis nicht mit der Austragung des Gesellschafters aus der Gesellschafterliste entfallen, wenn der Gesellschafter sich mit einer Anfechtungsklage gegen seine Hinauskündigung zur Wehr setzt. Wurde der GmbH-Gesellschafter etwa mit einer Zwangseinziehung angegriffen und besaß er zu diesem Zeitpunkt keine Eintragung in der Gesellschafterliste, bleibt eine Anfechtungsklage gegen den Einziehungsbeschluss möglich. Die Gewährleistung der Anfechtungsbefugnis im Fall der Verteidigung gegen einen Gesellschafterausschlusses sei interessengerecht und Ausfluss des effektiven Rechtsschutzes.

Anwaltliche Bewertung und Praxistipps

Die BGH-Entscheidung ist konsequent und als sachgerecht einzustufen. Wer die Legitimations-Wirkung der Gesellschafterliste in § 16 GmbHG ernst nimmt, muss dem Gesellschafter, der nicht in der Liste eingetragen ist, die Anfechtungsbefugnis versagen. Wehrt sich zum Beispiel ein Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Listeneintrag gegen eine unzulässige Abberufung als Geschäftsführer, muss er zwingend im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes seine Listeneintragung herbeiführen, um sich mittels einer Anfechtungsklage gegen den Abberufungsbeschluss zur Wehr zu setzen.

Die BGH-Entscheidung betont zu Recht den effektiven Rechtsschutz bei der Verteidigung gegen einen Einziehungsbeschluss. Die ausnahmsweise Gewährung der Anfechtungsbefugnis bei einer Anfechtungsklage gegen eine Zwangseinziehung ist sachgerecht, da die fehlende Listeneintragung nicht immer mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes möglich ist und Anfechtungsklagen regelmäßig zeitlich begrenzt sind. Jeder Gesellschafter muss sich effektiv gegen seinen Ausschluss verteidigen können. Dies ist bei einem so tiefen Einschnitt wie einem Gesellschafterausschluss interessengerecht und zwingend geboten.

Dennoch muss jeder Gesellschafter dafür Sorge tragen, dass er seine Gesellschafterstellung in der Gesellschafterliste nicht verliert oder schnellstens wiedergewinnt, wenn er seine Rechte in der GmbH wahrnehmen und effektiv verteidigen will.