Gesellschaftsrecht

Besondere Vertreter in der GmbH - Ansprüche gegen mittelbar kontrollierte Gesellschaft

Urteilsanalyse

Mit seinem Urteil vom 30.11.2021 (Az: II ZR 8/21) hat der Bundesgerichtshof zu den besonderen Vertretern einer GmbH im Zusammenhang mit Rückforderungensanprüchen gegen eine vom Geschäftsführer mittelbar kontrollierte Gesellschaft Stellung genommen.

Sollen Ansprüche einer GmbH gegen Geschäftsführer wegen einer Pflichtverletzung geltend gemacht werden, kann die Gesellschafterversammlung gem. § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG grundsätzlich die Geschäftsführer zu einer Inanspruchnahme anweisen. Gleiches gilt, wenn nicht der Geschäftsführer selbst, sondern eine vom ihm mittelbar beherrschte Gesellschaft in Anspruch genommen werden soll, da ähnliche Vertrauensverhältnisse und persönliche Beziehungen bestehen wie innerhalb der eigenen Gesellschaft. Da auch hier die Gefahr einer möglichen Befangenheit bzw. Voreingenommenheit besteht, kann die Gesellschafterversammlung gem. § 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG einen besonderen Vertreter bestellen, der die Gesellschaft organschaftlich gegenüber dem Geschäftsführer im Prozess vertritt.

Sollen Rückforderungsansprüche gegen eine vom Geschäftsführer kontrollierte Gesellschaft eingeklagt werden, kann gem. § 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG analog ebenfalls ein besonderer Vertreter bestellt werden.

Vorinstanzen

  • LG Hamburg, Urteil vom 17.07.2018 - 411 HKO 9/17
  • OLG Hamburg, Urteil vom 18.12.2020 - 11 U 244/18

Tatbestand

Die Klägerin, eine GmbH, hat drei Gesellschafterinnen. 50 % ihres Stammkapitals hält die C. GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer R. ist. Weitere 40 % des Stammkapitals hält die insolvente H. GmbH (im Folgenden: H.), deren Alleingesellschafter W. ist. Die übrigen 10 % entfallen auf die insolvente HI. mbH (im Folgenden: HI.). Geschäftsführer der Klägerin war bis Juni 2008 W.,ab Ende 2008 zudem R., im August 2010 wurde Ri. zum weiteren Geschäftsführer der Klägerin bestellt.

Alleingesellschafterin der beklagten GmbH ist die L. GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer wiederum R. ist.

Bereits 1999 schloss die Klägerin mit der Ha. GmbH (im Folgenden: Käuferin) einen Unternehmenskaufvertrag über die Veräußerung von Anteilen an einer weiteren Gesellschaft. In der Folge kam es zwischen den Kaufvertragsparteien zum Streit. Die Klägerin, R. und die W. mbH als Zessionarin der Ansprüche des W. erhoben daraufhin im Jahr 2010 gemeinsam eine Teil-Schiedsklage gegen die Käuferin. Zur Finanzierung ihrer Prozessführung schloss die Klägerin, vertreten durch ihre Geschäftsführer R. und Ri., auf der Grundlage eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses am 21./22. Februar 2011 mit der Beklagten, diese wiederum vertreten durch R., einen Prozessfinanzierungsvertrag. Darin verpflichtete sich die Beklagte zur Übernahme der Verfahrenskosten der Klägerin bis zu einer bestimmten Höhe, im Gegenzug versprach die Klägerin der Beklagten im Falle eines Prozesserfolgs eine 30%ige Erlösbeteiligung. Spätestens 2015 kam es zwischen den Gesellschafterinnen der Klägerin bzw. deren Insolvenzverwaltern zum Streit über die Wirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags.

Die Gesellschafterinnen der Klägerin fassten am 14./15. Juni 2016 im Umlaufverfahren einen Beschluss, in dem der Insolvenzverwalter der Gesellschafterin H., Rechtsanwalt B., ermächtigt wurde, die Rechtsanwälte H. mit der Erhebung einer Klage gegen die Beklagte auf Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags vom 21./22. Februar 2011 zu beauftragen.

In der Folge erhob die Klägerin, vertreten durch den besonderen Vertreter B., gegen die Beklagte eine entsprechende Feststellungsklage. Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen, wogegen sich die Klägerin mit ihrer Berufung gewandt hat.

Während des Berufungsverfahrens haben am 9. Dezember 2019 die Gesellschafterinnen der Klägerin einstimmig den Beschluss gefasst, dass der Insolvenzverwalter der H. in dem Beschluss vom 15./16. Juni 2016 als besonderer Vertreter "i.S.d. § 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG (analog) ermächtigt worden ist und werden sollte". Am 17. Dezember 2019 hatten die H. und die HI. gegen die Stimmen der C. GmbH u.a. für eine Neufassung und Ergänzung des Beschlusses vom 15./16. Juni 2016 gestimmt, insbesondere für die vorsorgliche Ermächtigung des besonderen Vertreters zur Klageerhebung als besonderer Vertreter im Sinne von § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbHG (analog) rückwirkend auf den 15. Juni 2016 (TOP 4 Nr. 1), zur Ausschöpfung des Instanzenwegs (TOP 4 Nr. 2), zur Erhebung einer Leistungsklage, gerichtet auf die Rückzahlung der auf den Prozessfinanzierungsvertrag erbrachten Zahlungen (TOP 4 Nr. 3), und einer negativen Feststellungsklage (TOP 4 Nr. 4). Die Klägerin hat die Klage um den Antrag auf Rückzahlung der von der Klägerin auf den Prozessfinanzierungsvertrag geleisteten 5.873.896,55 € und um den Antrag auf Feststellung, dass der Beklagten gegenüber der Klägerin ein Anspruch aus dem Prozessfinanzierungsvertrag nicht zusteht, erweitert.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unzulässig sei. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter, den Zahlungsantrag jedoch nur in Höhe von 4.458.599,87 € nebst Zinsen.

Urteilsgründe

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der wirksamen Klageerhebung stehe die mangelnde gesetzliche Vertretungsbefugnis (§ 51 Abs. 1 ZPO) des besonderen Vertreters entgegen. Mit Beschlussfassungen vom 14./15. Juni 2016 und vom 9. Dezember 2019 habe die Klägerin einen besonderen Vertreter nach § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbHG nicht bestimmen können, weil es sich bei der Beklagten nicht um eine Geschäftsführerin der Klägerin gehandelt habe.

Eine analoge Anwendung des § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbHG auf den Fall tatsächlicher oder mutmaßlicher Interessenkonflikte in der Person eines Geschäftsführers sei im Hinblick auf die grundsätzlich nicht beschränkbare gesetzliche Vertretungsmacht des Geschäftsführers (§§ 35, 37 Abs. 2 GmbHG) nicht angezeigt.

Abgesehen von der fehlenden gesetzlichen Vertretung der Klägerin begegne die Zulässigkeit der Klage aber auch im Hinblick auf die spezifische Rechtsnatur der Feststellungsklage und deren besonderen Voraussetzungen unüberwindbaren Bedenken. Im maßgeblichen Außenrechtsverhältnis der Klägerin gegenüber der Beklagten gebe es wegen Personenidentität keine relevante Unsicherheit über die Wirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags. Die Beklagte habe die Klägerin zudem zuletzt 2014 aus dem Prozessfinanzierungsvertrag in Anspruch genommen. Diese jahrelange Untätigkeit widerlege ein Feststellungsinteresse faktisch.

Ein Feststellungsinteresse ergebe sich auch nicht aus der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz, weil unbeschadet der Frage der Sachdienlichkeit der Klageänderung hinsichtlich der erweiterten Berufungsanträge jedenfalls die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO nicht vorlägen.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Die Revision ist zulässig.

Der Zulässigkeit der Revision der Klägerin steht nicht der mögliche Mangel der Legitimation des besonderen Vertreters B. entgegen, da auch eine Partei, deren gesetzliche Vertretung in der Vorinstanz verneint worden ist, wirksam ein Rechtsmittel einlegen kann, um eine andere Beurteilung zu erreichen (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 - II ZB 32/20, ZIP 2021, 1701 Rn. 6 mwN).

2. Die Revision ist begründet.

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann entsprechend § 46 Nr. 8 GmbHG zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die mit einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers begründet werden, ein besonderer Vertreter bestellt werden, auch wenn nicht der Geschäftsführer selbst, sondern eine von ihm mittelbar beherrschte Gesellschaft in Anspruch genommen werden soll.

aa) § 46 Nr. 8 GmbHG soll die unvoreingenommene Prozessführung der Gesellschaft in Rechtsstreitigkeiten sicherstellen, in denen die nach § 35 GmbHG an sich zur Vertretung berufenen Geschäftsführer insgesamt oder teilweise nicht als Vertretungsorgan in Betracht kommen, weil die Gefahr besteht, dass sie wegen der eigenen Betroffenheit befangen sind (BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 - II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 35; Urteil vom 16. Dezember 1991 - II ZR 31/91, BGHZ 116, 353, 355; Urteil vom 6. März 2012 - II ZR 76/11, ZIP 2012, 824 Rn. 12; Beschluss vom 2. Februar 2016 - II ZB 2/15, GmbHR 2016, 545 Rn. 13; Beschluss vom 22. März 2016 - II ZR 253/15, ZIP 2016, 2413 Rn. 9). Im Hinblick auf den Normzweck ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine entsprechende Anwendung des § 46 Nr. 8 GmbHG möglich bei Prozessen der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter, wenn dem Gesellschafter neben dem Geschäftsführer dieselbe oder eine in engem Zusammenhang stehende Pflichtverletzung vorgeworfen wird. Auch in diesem Fall ist nämlich die Vertretungsmacht nicht gegeben, wenn der Geschäftsführer auch selbst wegen der Pflichtverletzung in Anspruch genommen werden soll und deshalb gehindert ist, insoweit die Gesellschaft zu vertreten (BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 - II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 35; Urteil vom 16. Dezember 1991 - II ZR 31/91, BGHZ 116, 353, 355).

bb) Die Kompetenz der Gesellschafter aus § 46 Nr. 8 GmbHG zur Bestellung eines besonderen Vertreters ist auch auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die der Gesellschaft gegen eine von ihrem Geschäftsführer mittelbar beherrschte Gesellschaft zustehen sollen, zu erstrecken. Eine Gefährdung des Vertrauensverhältnisses und der persönlichen Beziehungen der Beteiligten ist bei einer Inanspruchnahme der vom Geschäftsführer mittelbar beherrschten Gesellschaft in gleicher Weise möglich wie bei einer unmittelbaren Inanspruchnahme des Geschäftsführers durch die Gesellschaft. Auch in einem solchem Fall besteht die Gefahr, dass Ansprüche der Gesellschaft nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt werden, wenn die Entscheidung darüber auch dem Geschäftsführer obliegt, dessen persönliche und wirtschaftliche Interessen auch im Hinblick auf seine mittelbare Beteiligung und Beherrschung des Anspruchsgegners betroffen sind. Ein Ersatzanspruch gegen eine von ihm wie hier vollständig beherrschte Gesellschaft ist insoweit nicht anders zu bewerten als der Ersatzanspruch gegen den Geschäftsführer selbst. Beschließen in dieser Situation die Gesellschafter über die Geltendmachung oder Nichtgeltendmachung der Ersatzansprüche, wird der Geschäftsführer von diesem Interessenkonflikt entlastet.

cc) Die Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags, dessen Nichtigkeit die Klägerin unter anderem mit dem Missbrauch der Vertretungsmacht durch R. beim Abschluss des Prozessfinanzierungsvertrags und Verstößen gegen §§ 134, 138 BGB begründet, fällt unter die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs im Sinne des § 46 Nr. 8 GmbHG. Zu den Ersatzansprüchen im Sinne von § 46 Nr. 8 GmbHG zählen alle aus der Geschäftsführung hergeleiteten Ersatzansprüche auf vertraglicher oder außervertraglicher Grundlage (BGH, Urteil vom 21. April 1986 - II ZR 165/85, BGHZ 97, 382, 390 f.). Der Abschluss und die Ausführung des Prozessfinanzierungsvertrags, dessen Unwirksamkeit die Klägerin klageweise festgestellt wissen möchte, sind der Geschäftsführung der Klägerin durch ihren Geschäftsführer R. unmittelbar zuzuordnen. Bei einer Unwirksamkeit des Vertrags kommen nicht nur ein etwaig pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers R. und daraus folgende Schadensersatzansprüche gegen ihn in Betracht. Vielmehr würden aus der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags typischerweise bereicherungsrechtliche Ansprüche resultieren, die ihrerseits beim Zusammentreffen mit einer möglichen Pflichtverletzung als Ersatzanspruch im Sinne des § 46 Nr. 8 GmbHG anzusehen sind (BGH, Urteil vom 21. April 1986 - II ZR 165/85, BGHZ 97, 382, 390 f.). Solcher Bereicherungsansprüche aufgrund der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags berühmt sich die Klägerin durch ihre Klageerweiterung in der Berufungsinstanz.

dd) Der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 46 Nr. 8 GmbHG steht nicht entgegen, dass es weitere Geschäftsführer gibt, die nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eine organschaftliche Vertretung der Gesellschaft in einem Prozess grundsätzlich übernehmen könnten. Die Klägerin musste sich in dem Prozess gegen die Beklagte mithin nicht auf ihre Vertretung durch den weiteren Geschäftsführer verweisen lassen.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für § 46 Nr. 8 GmbHG anerkannt, dass die Gesellschafterversammlung einen besonderen Vertreter auch dann bestellen kann, wenn eine satzungsmäßige Vertretung der Gesellschaft im Prozess durch weitere vorhandene Geschäftsführer nach § 35 GmbHG prinzipiell möglich wäre (BGH, Urteil vom 24. Februar 1992 - II ZR 79/91, ZIP 1992, 760, 761; Urteil vom 6. März 2012 - II ZR 76/11, ZIP 2012, 824 Rn. 12; Beschluss vom 22. März 2016 - II ZR 253/15, ZIP 2016, 2413 Rn. 11; Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 30 mwN).Die Gesellschafter müssen sich nicht auf die Möglichkeit verweisen lassen, kraft ihrer Weisungsbefugnis Einfluss auf den weiteren Geschäftsführer zu nehmen und die Prozessführung zur Durchsetzung der Ersatzansprüche mittels Weisungen der Gesellschafterversammlung zu lenken. Einem weiteren Geschäftsführer kann es in einer solchen Situation an der erforderlichen Unvoreingenommenheit fehlen, um die Interessen der Gesellschaft im Prozess zur Durchsetzung der Ersatzansprüche gegen den Geschäftsführer mit dem nötigen Nachdruck zu verfolgen.

b) Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Nicht frei von Rechtsfehlern hat das Berufungsgericht ein Feststellungsinteresse der Klägerin im Sinne des § 256 ZPO an der Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags verneint. Ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrages besteht im maßgeblichen Rechtsverhältnis der Parteien und wird nicht dadurch widerlegt, dass die Beklagte die Klägerin zuletzt vor der Klageerhebung in diesem Rechtsstreit aus dem Prozessfinanzierungsvertrag in Anspruch genommen hat.

Ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH, Urteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 351/08, NJW 2010, 1877 Rn. 12; Urteil vom 22. Januar 2019- II ZR 59/18, ZIP 2019, 414 Rn. 12 mwN). Die Parteien haben den Prozessfinanzierungsvertrag vom 21./22. Februar 2011 über Jahre gelebt und gegenseitig Leistungen auf ihre Verpflichtungen erbracht. Spätestens mit der Beschlussfassung vom 14./15. Juni 2016 haben sich die Gesellschafter der Klägerin zur gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit des Vertrags entschlossen und damit eine maßgebliche Unsicherheit seitens der Klägerin belegt. Unerheblich ist dabei eine - etwaig - abweichende Rechtsauffassung des R. als Geschäftsführer der Klägerin, den gemäß § 37 Abs. 1 Fall 2 GmbHG eine Folgepflicht im Hinblick auf die Beschlussfassung der Gesellschafter trifft. Auf Seiten der Beklagten hat sich deren gegenteilige Rechtsauffassung spätestens in dem vorliegenden Rechtsstreit gezeigt.

Das Feststellungsinteresse der Klägerin wird entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht dadurch widerlegt, dass die Beklagte die Klägerin aus dem Vertrag zuletzt vor Klageerhebung in Anspruch genommen hat. Im Hinblick auf R. als Geschäftsführer der Klägerin sowie als Geschäftsführer und Alleingesellschafter ihrer Gesellschafterin C. GmbH einerseits und als Geschäftsführer und mittelbarer Alleingesellschafter der Beklagten andererseits liegt es vielmehr nahe, dass die Beklagte die von den Gesellschafterinnen der Klägerin 2016 einstimmig beschlossene und mit Beschluss vom 9. Dezember 2019 einstimmig bestätigte gerichtliche Klärung der Wirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags zunächst abwartet, bevor sie weitere Leistungen aus dem Vertrag einfordert.

c) Das Berufungsgericht hat schließlich rechtsfehlerhaft die Zulässigkeit der Klageerweiterung verneint. Die von dem besonderen Vertreter B. erhobene Klageerweiterung der Klägerin um die Zahlung von - nunmehr noch - 4.458.599,87 € nebst Zinsen seit dem 7. Februar 2020 und um die Feststellung, dass der Beklagten ein Anspruch aus dem Prozessfinanzierungsvertrag nicht zusteht, erfüllt die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO und ist im Übrigen auch sachdienlich im Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO.

aa) Der besondere Vertreter der Klägerin war aufgrund des Beschlusses der Gesellschafterinnen der Klägerin vom 17. Dezember 2019 als gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 51 ZPO zur Klageerweiterung befugt. Es handelt sich bei der Prozessführungsbefugnis um eine Prozessvoraussetzung, die auch im Revisionsverfahren noch von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1987 - II ZR 21/87, NJW 1988, 1585, 1587; Urteil vom 10. Oktober 1985 - IX ZR 73/85, NJW-RR 1986, 157, 158).

Die C. GmbH unterlag bei der Beschlussfassung am 17. Dezember 2019 einem Stimmverbot nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG. Ist ein GmbH-Gesellschafter Alleingesellschafter einer Drittgesellschaft, besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 47 Abs. 4 GmbHG für ihn ein Stimmverbot bei einer Beschlussfassung, die die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen diese Drittgesellschaft betrifft (BGH, Urteil vom 29. März 1971 - III ZR 255/68, BGHZ 56, 47, 53; Urteil vom 29. März 1973 - II ZR 139/70, NJW 1973, 1039, 1040). Das Stimmverbot trifft auch eine GmbH-Gesellschafterin, wenn sie zwar nicht selbst Gesellschafterin der Drittgesellschaft ist, aber ihr Alleingesellschafter Alleingesellschafter der Drittgesellschaft ist. Dann ist die wirtschaftliche Verbindung so stark, dass man das persönliche Interesse der GmbH-Gesellschafterin und ihres Gesellschafters mit dem der Drittgesellschaft gleichsetzen kann. Das in der anderweitigen Beteiligung des Gesellschafter-Gesellschafters verkörperte Interesse schließt dann bei Entscheidungen über Rechtsgeschäfte oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits mit der Drittgesellschaft eine unbefangene Stimmabgabe in der Regel aus und bedeutet deshalb für die GmbH eine erhebliche Gefahr (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1977 - II ZR 81/76, BGHZ 68, 107, 110; Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 32 mwN). Danach unterlag die C. GmbH, deren Alleingesellschafter R. ist, aufgrund der starken wirtschaftlichen Verbundenheit des R. mit der Beklagten als ihrem mittelbaren Alleingesellschafter einem Stimmverbot. Die C. GmbH war deshalb nach § 3 (8) Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin nicht stimmberechtigt, wonach deren Gesellschafter auch in eigenen Angelegenheiten stimmberechtigt sind, es sei denn, dass einer der in § 47 Abs. 4 GmbHG bezeichneten Gegenstände Gegenstand der Beschlussfassung ist. Ihre dennoch erfolgte Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung der Klägerin war deshalb nichtig und nicht mitzuzählen (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., § 47 Rn. 104; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 47 Rn. 52).

Die nach § 3 (8) Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin erforderliche Zustimmung aller übrigen Gesellschafter lag vor. Die Gesellschafterin H., deren Insolvenzverwalter zum besonderen Vertreter bestellt worden war und der durch den Beschluss vom 17. Dezember 2019 zur Ausschöpfung des Instanzenwegs ermächtigt worden ist, unterlag dabei keinem Stimmverbot. Bei der Bestellung des besonderen Vertreters und seiner Ermächtigung zur Rechtsverfolgung ist im Ausgangspunkt kein gesellschaftsfremdes Eigeninteresse anzunehmen, sondern der an der Verfolgung des Anspruchs interessierte Gesellschafter verfolgt typischerweise dasselbe Interesse wie die GmbH.

Entgegen dem von der Beklagten in der Revisionsverhandlung erhobenen Vorwurf ist der weitere Beschluss der Gesellschafter der Klägerin vom 17. Dezember 2019 auch nicht treuwidrig, weil, wie die Beklagte geltend macht, der einstimmig gefasste Gesellschafterbeschluss vom 15./16. Juni 2016 vergleichsartigen Charakter habe, das Vorgehen bis zur Klärung der Unwirksamkeit bzw. Wirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags abschließend regele und deshalb einer inhaltlichen Erweiterung, wie durch den Beschluss vom 17. Dezember 2019 erfolgt, entgegen stehe. Der Senat kann die behauptete Vergleichsvereinbarung nicht selbst auslegen, weil sie als schuldrechtliche Abrede unabhängig davon, ob sie - wie nicht ersichtlich - zum Gegenstand der Beschlussfassung gemacht worden ist, nicht objektiv wie eine Satzung oder ein Gesellschafterbeschluss, sondern subjektiv auszulegen ist. Die Auslegung, für die es zudem an den erforderlichen Feststellungen fehlt, obliegt insoweit nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB dem Berufungsgericht als Tatrichter (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2016 - II ZR 342/14, BGHZ 210, 186 Rn. 34).

bb) Das Berufungsgericht durfte die Zulässigkeit der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nicht unter Verweis auf die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO ablehnen. Die Klageerweiterung ist im Sinne des § 533 Nr. 2 ZPO auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Die mit Schriftsatz vom 31. Januar 2020 erhobene Klageerweiterung auf Zahlung von 5.873.896,55 € nebst Zinsen beruht - von der Beklagten nicht bestritten - auf den Zahlungen der Klägerin an die Beklagte wegen von der Beklagten verauslagten Schiedsgerichtskosten und Anwaltshonoraren in Höhe von 1.415.296,68 € und zwei Abschlagszahlungen der Klägerin an die Beklagte auf die Erlösbeteiligung in Höhe von 1.000.000 € und 3.458.599,87 €, deren Rückerstattung die Klägerin begehrt. Diesen neuen Vortrag der Klägerin hätte das Berufungsgericht seiner Entscheidung als unstreitig gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 ZPO ohne Weiteres zugrunde legen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2004 - IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138, 142; Urteil vom 20. Mai 2009 - VIII ZR 247/06, NJW 2009, 2532 Rn. 15; Urteil vom 13. Juli 2016 - VIII ZR 49/15, NJW 2016, 3654 Rn. 32). Das gilt auch im Rahmen von § 533 Nr. 2 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2018 - XI ZR 538/17, NJW 2018, 2269 Rn. 22 ff.).

Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass es für eine Entscheidung auf Grundlage des gemäß § 529 Abs. 1 ZPO maßgeblichen Tatsachenvortrags an einem Vorbringen der Parteien zu den Voraussetzungen einer bereicherungsrechtlichen Gesamtsaldierung, insbesondere im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 814 BGB, fehle. Die Klägerin hat mit der Begründung ihrer Klageerweiterung nicht nur dargelegt, was sie aufgrund des unwirksamen Vertrags zurückzuverlangen können glaubt, sondern zugleich auch zu den von der Beklagten verauslagten Schiedsgerichtskosten und Anwaltshonoraren in Höhe von 1.415.296,68 € vorgetragen. Der ihr als Saldogläubigerin obliegenden Darlegungslast, bei der Anspruchsbegründung auch darzulegen, was die andere Partei hingegeben hat (BGH, Urteil vom 10. Februar 1999 - VIII ZR 314/97, NJW 1999, 1181), ist sie damit gerecht geworden. Eine etwaige weitere Minderung des Saldos vorzutragen, obliegt dem Bereicherungsschuldner (BGH, Urteil vom 10. Februar 1999 - VIII ZR 314/97, NJW 1999, 1181, 1182; Urteil vom 15. Januar 2019 - II ZR 392/17, ZIP 2019, 564 Rn. 42), mithin der Beklagten, die sich dazu nicht verhalten hat. Das Berufungsgericht hätte deshalb aufgrund des zu berücksichtigenden unstreitigen Vorbringens eine Saldierung vornehmen und in diesem Rahmen § 814 BGB zu Lasten der insofern als Leistungsempfängerin darlegungs- und beweispflichtigen (vgl. BAG, Urteil vom 26. Juni 2019 - 5 AZR 178/18, NJW 2020, 170 Rn. 35 mwN) Klägerin anwenden können.

cc) Die Klageerweiterung ist auch sachdienlich im Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO.

Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Klageerweiterung sachdienlich ist. Hat der Tatrichter die Sachdienlichkeit einer Klageänderung nicht geprüft, entscheidet hierüber das Revisionsgericht (BGH, Urteil vom 7. Juli 1993 - IV ZR 190/92, BGHZ 123, 132, 137; Urteil vom 15. Januar 2001 - II ZR 48/99, ZIP 2001, 515, 517). Maßgeblich ist eine objektive Beurteilung, ob und inwieweit die Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu führenden Rechtsstreit vorbeugt (BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, 1842; Urteil vom 13. April 2011 - XII ZR 110/09, BGHZ 189, 182 Rn. 41).

Von einer solchen Erledigung ist im Hinblick auf die Klageerweiterung bezüglich des Zahlungsantrags auszugehen, da einem weiteren Rechtsstreit um die Rückzahlung der von der Klägerin auf den Prozessfinanzierungsvertrag - dessen Unwirksamkeit unterstellt, die das Berufungsgericht ohnehin zu prüfen haben wird - geleisteten Zahlungen vorgebeugt wird.

Gleiches gilt für den mit der Klageerweiterung erhobenen weiteren Feststellungsantrag.

III.

Das Berufungsurteil ist danach im ausgesprochenen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Sollte das Berufungsgericht den weiteren Feststellungsantrag für unzulässig halten, da dieser Feststellungsantrag - wie es die Revision ausführt - nur die Rechtsfolge des ersten Feststellungsantrags zum Ausdruck bringt und folglich darin enthalten ist, hat es auf eine sachdienliche Antragstellung hinzuwirken, § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Denn bereicherungsrechtliche Ansprüche aufgrund der etwaigen Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrags, derer sich die Klägerin berühmt, werden vom Wortlaut des weiteren Feststellungsantrags nicht erfasst.

Tenor

  1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 18. Dezember 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 11 für Handelssachen, vom 17. Juli 2018 zurückgewiesen worden ist.
  2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.